Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich gehöre auch zu den 80 Millionen Hobby-Epidemiologen in Deutschland und verfolge deshalb das aktuelle Geschehen in Sachen Corona ganz genau. So wie es momentan aussieht wird der bevorstehende Winter nicht nur bitter kalt, sondern weiterhin von der Pandemie geprägt sein. Auch wenn das nicht hätte sein müssen. Zumindest nicht in diesem Ausmaß. Ende des Sommers war ich mir noch ganz sicher, daß es keinen Lockdown mehr geben wird. Jetzt bin ich das nicht mehr. Gerade auf unserer Instagram-Seite eine Umfrage unter unseren Followern gestartet: kommt der Lockdown doch nochmal oder eher nicht? Nach 3 Stunden haben (nicht repräsentative) 200 Leute abgestimmt. Knapp 2/3 sagen „Ja“.
Nun muß ich gleich wieder vorwegnehmen: ich habe bisher alle Regeln eingehalten, mich impfen lassen, den Laden schon mehrmals geschlossen und jeden Lockdown mitgetragen, obwohl mir der letzte total auf den Sack ging. Über ein halbes Jahr rumgedümpelt anstatt einen anständigen Lockdown zu machen. Wir Einzelhändler mussten schließen während beim Daimler die Bänder heiß liefen. Was ich damit sagen will: auch wenn ich finde, daß die Politik krass versagt hat, habe ich alles brav mitgemacht. Und trotzdem darf ich Kritik üben.
Was gerade abgeht ist kaum in Worte zu fassen. Die höchsten Inzidenzen ever, Krankenhäuser voll. Und was hört man von unseren Politikern? NICHTS. Merkel ist in Gedanken schon draußen, Scholz noch nicht drinnen. Irgendwie scheint keiner für die Pandemie zuständig zu sein. Auch von unserem hoch geschätzten Herrn Kretschmann hört man nichts mehr. Und von Nopper sowieso nicht. Konnte ja auch keiner ahnen, daß uns die nächste Welle überrollt. Impf- und Testzentren zu, kein Plan, keine erkennbare Strategie. Wie kann man nur so planlos mit diesem Virus umgehen? Seit über 1,5 Jahren machen wir den Scheiß nun schon mit, aber sich überlegen, was man jetzt besser machen könnte, um dieses in Schach zu halten – daran hat wohl niemand gedacht. Die Pandemie ist vorbei! Freedom Day! Wir haben ihn besiegt! Alle in Urlaub, ins Stadion und in den Club. Wir sind ja alle geimpft. Alle, bis auf 1/3 der deutschen Bevölkerung.
Es bedarf erst Rekordinzidenzen, damit die Politik sich überhaupt mal überlegt, ob sie sich mal wieder zusammensetzt und berät, was man jetzt noch retten könnte. Das ist ein Armutszeugnis. Traurig, aber wahr. Und was dabei rauskommt können wir uns alle denken.
Was tun wenn uns, ich spreche jetzt mal für mich als Einzelhändler, der Lockdown wieder genau vorm Weihnachtsgeschäft erwischt? So wie es momentan aussieht könnte dies wahrscheinlicher sein als im vergangenen Jahr. Ich glaube das wäre der Todesst0ß für viele Läden. Eigentlich arbeitet man das ganze Jahr über nur für diese paar Wochen am Ende des Jahres. Da wird der Umsatz generiert den man benötigt um übers Jahr zu kommen. Sollte also ein Lockdown kommen, dann bitte ein richtiger. Ein harter. Ein Lockdown für alle. Der auch was bringt.
Ich darf mal meiner Vorahnung freien Lauf lassen: man wird wieder uns Einzelhändler und Teile der Gastronomie vorschicken und dicht machen, damit es nach aussen hin so aussieht, wie wenn wir im Lockdown wären. Aber der Großteil der Bevölkerung wird weiterhin arbeiten, reisen und Steuern bezahlen. UND ICH HOFFE, DASS ICH FALSCH LIEGE. Aber wenn das eintreten sollte, daß wir Einzelhändler wieder als Deppen herhalten müssen um den Lockdown vorzutäuschen, werde ich mir ernsthaft überlegen in absehbarer Zeit meinen Laden zu schließen. Nicht weil es so schlecht läuft, sondern aus Prinzip.
Letzten Winter konnte man noch auf Ausgleichszahlungen in Form der sogenannten November-/Dezemberhilfen hoffen, welche auch die Gastronomen bekommen haben. Diese Zahlungen waren so astronomisch hoch, daß man danach nicht mehr allzu viele Gastronomen hat meckern gehört. Und genau diese Zahlung wurde uns Einzelhändlern verwährt. Dafür wurde die Überbrückungshilfe III eingeführt, welche bis zu 90% der Miete und Nebenkosten decken soll. Nun ist es so, daß die genannte Novemer-/Dezemberhilfe für die 2 Wochen, welche wir im Dezember 2020 zumachen mussten, höher ausgefallen wäre als die Überbrückungshilfe III für die Monate Januar-Juni 2021 zusammen. Kurz zusammengefasst: die Zahlung für die 2 Wochen wäre höher gewesen als die Zahlung für komplette 6 Monate. Aber wie schon erwähnt: diese Hilfe wurde kurzerhand gestrichen. Ganz leise, ohne es an die große Glocke zu hängen. Und das war der eigentliche Skandal. Hauptsache die Branchen, welchen es eh schon gut geht, bekommen noch mehr Kohle in den Rachen gestopft: Steuerberater, Apotheken, Ärzte, Onlineriesen und Supermärkte. Mit Fairness hat das nichts zu tun. Eher mit der Vertuschung von Unfähigkeit. Und diese Unfähigkeit kostet tagtäglich vielen Menschen das Leben.
Wenn der Einhelhandel wieder schließen muss, befeuert das natürlich den Online- und den Lebensmitteleinzelhandel. Die Lieferdienste werden in die Knie gehen und viele Geschäfte werden nicht mehr öffnen. Die Stuttgarter Innenstadt wird noch unattraktiver, trotz neuem Aldi und McDonalds auf der Königstrasse.
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